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Nachrichten aus der Schweiz

Während meinen heutigen Reisen durch die Blogosphäre bin auf eine sehr interessante Nachricht gestossen.(1,2)
Der Kaufhausgigant Migros (für alle Deutschen: es heisst „die Migro“ – stummes ‚s’) hat 70% des Discounter Denner für 700 Mio Franken übernommen. (für die Deutschen: damit ist nicht der Dehner gemeint, der Blumen und Gartenzubehör verkauft) Wie die NZZ berichtet, lag der Kaufpreis ersten über dem realen Marktwert und zweiten kam die Migros dabei drei ausländischen Interessenten, von denen einer der Lidl gewesen sein soll, zuvor.(1)
Jetzt denkt natürlich jeder was soll’s: Liberaler Markt, mehrere Interessenten, einer bezahlt halt mehr und gewinnt.

Interessant wird es aber wenn man sich mal das Kleingedruckte durchliesst!
Logischerweise wäre eine Übernahme von Seiten Lidls ein wichtiger Schritt gewesen, um in der Schweiz Fuss zu fassen, da Denner ca. 700 Filialen in der Schweiz besitzt.
Aber das wäre der Migros ein mächtiger Dorn im Auge gewesen. Auch wenn sie laut NZZ Marktführer in Schweiz ist, fürchtet sie doch die deutschen Discounter wieder Teufel das Weihwasser und wäre bei einer „deutschen Übernahme“ die Hauptleidtragende gewesen. Einer Studie zufolge stammen bereits heute 35% der Aldi Suisse Einnahmen von ehemaligen Migros Kunden. Die Migros sieht also ihre Kunden davonrennen.
Zum anderen kann sich die Migros nun endlich auf dem Gebiet der Alkohol- und Tabakverkäufe einen Namen machen. Da Gottleib Duttweiler bei der Gründung der Migrosgenossenschaft 1925 bzw. 1941(3) den Verkauf von Alkohol und Tabak verboten hat, fehlt der heutige Migros ein umsatzstarker Verkaufsbereich, der mit der Übernahme von Denner jetzt geschlossen wird. Allein beim Wein erreicht Denner eine 30%ige Marktabdeckung.(1)
Alles in allem kann nun Migros ihr Markt- und Machtposition auf verschiedenen Sektoren deutlich ausbauen und sich zudem noch die ausländische Konkurrenz von Leib halten.
Das ist aber nur ein Teil der Geschichte.

Richtig lustige wird es erst, wenn man die Begründungen der Migros Leitung hört:
Sie (die Migros) will den Markt für die Konsumente verteidigen und somit die hohe Qualität, die die Schweizer anscheinend wollen, schützen und erhalten. „Mit Denner in Schweizer Händen haben die Konsumenten eine Alternative zu deutscher oder französischer Einheitskost.“ So zumindest ein Zitat auf dem Blog Arlesheim Reloaded.(2)

Aha soso – die Deutschen und die Franzosen haben also eine Einheitskost. Genau das gleich denke ich mir auch immer, wenn ich in Paris in einem Strassenkaffee – pardon – Strassencafé sitze und mal wieder nur schlechten Kaffee und Bockwurst mit Sauerkraut oder Zwiebelrostbraten mit Kässpätzle auf der Speisekarte finde. Oder mit meinem Kollegen in der Kneipe ein Bier trinke und die Snackkarte mal wieder nur Froschschenkel enthält. Dann freue ich mich doch darauf, dass die Migros sich diesem ‚Einheitskostbrei’ entzieht und mich als Kunde energisch davor beschützt. Dass sie damit massiv an Marktmacht gewinnt und verdammt nahe an ein Oligopol heranrutscht, das schon fast das Kartellamt auf den Plan ruft, lassen wir mal aussen vor. Ich freu mich darüber, in Zukunft alle meine Produkte entweder bei COOP oder bei der Migros und ihren Tochterunternehmen zu kaufen. Und trotz erhöhter Preise, die so ein Oligopol meistens mit sich bringt, wiege ich mich in der Gewissheit, dass ein treuer grosser Freund auf mich aufpasst und mich vor Billigangeboten beschützt. Natürlich ist der Gedanke, dass die Migros alle diese Entscheide aus rein wirtschaftlichem Kalkül trifft rein aus der Luft gegriffen. Es geht hier schliesslich um Schweizer Interessen. Der Schweizer Markt muss schweizerisch bleiben. Schweizer Produkte von reinen Schweizer Firmen für Schweizer Kunden. (Achtung hier wird Sarkasmus mit dem grossen Löffel verteilt!!!)

Marktöffnung und Transparenz scheinen bei dieser Argumentation wohl nicht an oberster Stelle zu stehen. Und leider befürchte ich, dass es genug Deppen geben wird, die der Migros diese nationale Argumentation vom Schutz des Schweizer Marktes und der Schweizer Kunden auch noch abnehmen und mit einem freudigen Grinsen an der Migroskasse die erhöhten Preise bezahlen und mit stolzen Nationalgefühlen die Schlange auch noch füttern und ihr somit recht geben. Manfred Messmer vom Blog Arlesheim Reloaded(2) hat ganz Recht wenn er schreibt, dass er keine Lebenmittelgrosshändler will, die meinen unsere Interessen war nehmen zu müssen und ihre unternehmerischen Entscheide dann mit nationalen Argumenten begründen.(2) Der Kunde sollte immer noch selber entscheiden wo er was kauft. Die Abstimmung findet hier nicht mir den Füssen, sondern mit dem Franken/Euro/Dollar/Pfund an der Kasse statt. Freier Markt für freie und mündige Bürger! Konkurenz belebt das Geschäft und das nützt dem Kunden immer noch am meisten.

1. Quelle NZZ
2. Quelle Arlesheim Reloaded
3. Quelle Migros Homepage

P.S.: Dass wir uns hier richtig verstehen. Zum einen strotz der Post natürlich wieder mächtig vor Sarkasmus und zweiten würde genauso argumentieren, wenn es sich bei den beiden Firmen um deutsche Firmen handeln würde. Falls einer ein deutsches oder anderes Gegenbeispiel weiss, kann es hier gerne als Kommentar hinterlassen.

EDIT 18.01.2007 – 17:30 Uhr:
Heute lese ich auf einem doch wichtigen Schweizer Blog ein Zitat der Schweizer Wirtschaftszeitung Cash.

„Was uns Konsumenten als die perfekte Schweizer Lösung verkauft wurde, ist in Tat und Wahrheit eine Mogelpackung“, schreibt CASH und fragt „Wer stoppt den Deal?“ Das Wirtschaftsblatt aus Zürich folgert denn auch. „Der Denner-Kauf hätte in der EU und den USA praktisch keine Chancen. Wegen der laschen Gesetze hierzulande hat die Wettbewerbskommission aber nur wenig Mittel, den Kauf zu verhindern.“

Hätten sie doch mich angerufen 😉

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