Seit der Computer, das Handy und Social Networks wie Facebook in unsere tägliches Leben und auch in unser tägliches Gespräch Einzug gehalten haben, gibt es im Abstand von 12 Monaten immer wieder „mutige“ Journalisten und Autor, die anhand eines Selbstversuchs den Leuten zeigen wollen wie es ist offline zu sein. „Ich bin dann mal offline“, ein Buch von Christoph Koch ist nur ein Beispiel. Ein weitere Artikel im Computermagazin c’t trägt den provokanten Titel „Social Muffel“, in dem der Autor uns voller Stolz mitteilt, dass er nicht Mitglied bei Facebook ist und auch so ganz gut überleben kann. Ich für meinen Teil werde bei solchen „Selbstversuchen“ im etwas hellhörig. Steigt man dann nämlich weiter ein in so manchen Text, erfährt man, dass der Autor zu Beginn seines Versuchs sein Smartphone abgegeben hat und auch seinen Internetanschluss im Geschäft und auch zu Hause still legen hat lasse. Sich also ganz auf Festnetz, Briefe und persönliche Gespräche verlassen will. Gut denkt man sich, sowas nennt sich offline. Und auch der Titel heisst bei allen Artikeln ungefähr immer gleich. „Ich bin offline und schreibe darüber einen Bericht“. Liest man den Artikel weiter, so sind die ersten Zeilen immer ganz euphorisch. Alle Autoren schreiben von der freien Zeit, der Ruhe, dem Ungestört sein und produktiven Arbeiten. All das hört sich gerade für den „handy-geplagten Menschen“ von heute wie ein Wohltat an. Doch ab der Hälfte der Artikel dreht sich das Blatt. Dann erfährt der Leser, dass der Autor alle sein E-Mails von einem Mittelsmann/frau ausdrucken lässt, durchliesst, schriftlich beantwortet und vom Mittelsmann/frau wieder per E-Mail wegschicken lässt. Ohne E-Mails scheint es wohl doch nicht zu gehen. Niemand will 2-3 Tage auf einen Brief warten. Warum also der vorgetäuschte Offlinestatus? Andere Autoren beklagen, dass ihnen als freie Journalisten Aufträge und damit Geld für die Familie entgangen sind, da andere Auftraggeber eben kein Verständnis für den Selbstversuch haben. Ein Grossteil dieser Selbstversuche ist toll, wenn man Sekretärinnen hat, die einem die E-Mails ausdrucken oder sogar des Recherchieren per Internet abnehmen. Sprich die ganze Online-Arbeit stellvertretend machen. Was ist also aus dem Versuch geworden, sich der digitalen Welt zu entziehen? Eigentlich nur eine Weitergabe der Online-Arbeit an andere Untergebene oder Kollegen. Was übrig bleibt ist eine leeres Versprechen. Es geht halt in vielen Bereichen nicht mehr ohne Internet und ohne Handy. Gerade im Journalismus und allgemein in Medienberufen muss man eben schnell erreichbar sein. Wer kann es sich also erlauben wirklich offline zu sein? Gerade einmal Millionäre, Rentner, Arbeitslose, klassische Fliessbandarbeiter und Schüler können es sich, ohne dies böse zu meinen, vielleicht noch erlauben offline zu sein, ohne Probleme im Job zu bekommen. Jeder Arbeiter und gerade jeder Büroangestellte muss auf die eine oder andere Weise erreichbar sein. Keine 24 Stunden aber dennoch auch über seine Bürozeiten hinaus. Wer liesst also solche Berichte? Generation-Facebook wohl kaum. Auch die sogennanten „digital-natives“ dürften wohl kaum zur Leseklientel gehören. Wenn einer der Autoren schreibt: „Wir sind immer öfter und länger online..“, dann werden wohl viele der jungen Leute sagen: „Gibt es dann noch was andere? Was ist denn bitte offline?“. Viele Computer und auch immer mehr Smartphones sind ständig mit dem Internet verbunden. Ein Online und Offline gibt es nicht mehr. Allway-on heisst bei vielen das Motto. Der bewusste Schritt online zu gehen entfällt und damit auch die Onlinezeit. Sobald das Endgerät eingeschaltet ist, ist es online ohne dass der Nutzer auch persönliche im Internet ist. Somit sind nicht die Nutzer länger online, sondern die Geräte. Das ist ein grosser Unterschied.
Doch viele Leser, gerade der älteren und mittleren Generation fühlen sich von der Technik überrannt. Überall klingeln Handys und jeder redet von Facebook und dass man dort unbedingt Mitglieder werden muss, da man sonst etwas verpassen könnte. Oft denkt man viele Online-Verweigerer sind Rebellen wegen dem Rebellieren und nicht wegen der Sache. Nach dem Motto: „Ich bin Offline, weil ihr alle online seid und ich rede darüber um etwas Besonderes zu sein“. Das für und wider und auch die langfristigen Auswirkungen werden dabei zur Nebensache.
Was treibt also Autoren und vielleicht auch Leser in diese Verweigerungshaltung? Meiner Meinung nach ist es zum einen das fehlende Wissen mit der Technik richtig umzugehen und zum anderen die fehlende Unterscheidung zwischen wichtiger und unwichtiger Kommunikation (das Rauschen filtern). Keiner würde auf die Idee kommen das Festnetztelefon in der Firma abzuschalten um in Ruhe arbeiten zu können. Wenn man keine Sekretärin hat, welche die Anrufe entgegenimmt, kann man nach ein paar Wochen sein Geschäft zu machen. Und zu hause schaltete kaum jemand des Festnetztelefon ab. Es könnte jederzeit ein wichtiger Anruf eingehen. Aber wenn andere ein Handy benutzen und von Facebook reden, fühlt man sich gestört. Wer aber entscheidet ob eine Kommunikation wichtig ist oder nicht. Nur weil man selber im Café sitzt und Freizeit hat, muss das für die Person am Nebentisch nicht automatisch gelten. Auch SMS gehören heute zu den geschäftlich genutzten Kommunikationsformen. Viele Berufe erlauben es das Büro per Smartphone überallhin mitzunehmen. Die Entscheidung, ob eine Kommunikation wichtig ist und darum ein Handy auch in der Freizeit nötig macht, kann also nur die Person treffen, die auch kommuniziert. Und nicht der Nachbar am Nebentisch, der sich gestört fühlt, nur weil er seine wichtigen Telefonate zu hause in seinen vier Wänden erledigt. Dazu gehört auch der Mut am Handy einmal nein zu sagen. Die Supermarktkasse ist eine schlechter Ort seinem Gesprächspartner die Abenteuer der letzten Nacht oder die Urlaubsreise nach Spanien zu erklären. Wer sich also an der Supermarktkasse von seinem Handy gestört fühlt, sollte einfach mal nein sagen und den Anrufer auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Die eigene Mutlosigkeit ist kein Grund der Technik die Schuld zu geben. Dies geht auch soweit, dass man das Handy und auch jedes andere technische Gerät auch einfach mal ausschalten kann. Ob Kirche, Supermarkt, romantisches Essen oder das Café. Wer dort nicht gestört werden will, schaltet das Gerät einfach ab. Im Umkehrschluss muss man sich dann aber der Konsequenzen bewusst sein. Verpasst man einen wichtigen Anruf ist man selber Schuld. Verpasst man eine spontane Einladung, dann wird es nichts mit der super Party am Abend. Man stirbt des wegen nicht, aber man verpasst etwas. Gleiches gilt für Facebook. Natürlich ist 90 Prozent der Kommunikation in Facebook und Co. sinnlose sinnreduzierte Kommunikation und keiner würde tot umfallen, wenn es keine social Networks gäbe. Was aber ist mit Einladung durch Verein, die nur noch per Facebook veröffentlicht werden? Was ist mit Demonstrationen und Berichten über kriminelle Aktivitäten von Politikern? Die Zeitung berichtet wenn überhaupt einen Tag später. Und auch sie übernimmt dabei manchmal „nur“ die Aufgabe der Sekretärin das Internet zu lesen und einen schriftlichen Bericht abzutippen. Man muss nicht bei allen technischen Entwicklungen mitmachen und überall erreichbar sein, aber man muss es anderen Leuten zugestehen. Verweigerungshaltung nur um sich bewundern zu lassen klappt vielleich beim Rauchen aber nicht beim Internet. Je besser man lernt technische Geräte für sich arbeiten zu lassen umso weniger fühlt man sich von ihnen gestört. Technisches Wissen ist Macht über die Technik.
Zweiter Account von Ralf Bachmann
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