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Die Zukunft ist grün – Ein Laborversuch in Baden-Württemberg

Ein Kommentar zur Landtagswahl in Baden-Württemberg.
Die Medien überschlagen sich mit Lobpreisung und Ankündigungen. Von einem historischen Wahlsieg und einem historischen Machtwechsel in Baden-Württemberg ist die Rede. Die Grünen selber sprechen von einem Politikwechsel und davon in Zukunft Politik mit den Leuten machen zu wollen. Konkrete Pläne werden aber nicht genannt. Fakt ist, dass Grün-Rot (nicht Rot-Grün) mit 7 Sitzen vor Schwarz-Gelb liegt und damit eine knappe Mehrheit im Landtag hat. Diese knappe Mehrheit gilt natürlich nur dann, wenn es bei Abstimmungen keine „Fremdgeher“ gibt. Doch woher kommt dieser historische Wahlsieg. Basiert er auf harter Eigenarbeit, Stuttgart 21, der Katastrophe in Japan oder dem Verhalten der CDU in den letzten Jahren. Kritiker behaupten natürlich, dass das Wahlergebnis nur eine „japanische“ Momentaufnahme sei und die Grünen ohne Japan wie immer bei 5-10 Prozent gelegen hätten. Ein Meinung, die auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen ist, in ihrer Argumentation aber zu kurz gefasst ist. Zu stark waren die Versäumnisse der alten Regierung. Sei es der Polizeieinsatz zu Stuttgart 21, die Atomfrage oder die jahrelange Parteifreunde-Politik der CDU. Auch wenn Japan genau zur richtigen Zeit kam, so waren es am Ende vermutlich alle Punkte in Unterschiedlicher Stärke und Japan war der Turbo kurz vor der Ziellinie.

Aber was genau wird jetzt anders?
Die Grünen konnten sich gut als Anti-AKW-, Anti-S21-, Anti-CDU-Partei etablieren. Doch wie sehen die Pläne z.B. zur Arbeitsmarktpolitik oder zur Steuerpolitik aus? Die Grünen waren immer eine Oppositionspartei oder eine Partnerpartei der SPD. Jetzt sind sie zum ersten Mal in der Führungsrolle und können bzw. müssen zeigen, dass sie nicht nur gegen etwas sein können, sondern auch reale Politik mit umsetzbaren Zielen machen können. Politik, die sich nicht nur gut anhört und das eigene Gewissen beruhigt, sondern auch die harten Fakten liefert die Notwendig sind.

Direkte Demokratie mit rechtlicher Wirksamkeit
Im Wahlkampf und in der Diskussion um Stuttgart 21 war oft von einem Volksentscheid die Rede. Auch auf den Plakaten warben die Grünen mit mehr direkter Demokratie. Doch fehlt bis jetzt die rechtliche Grundlage. In Art. 59 und 60 der Landesverfassung und §§ 2–24 des Volksabstimmungsgesetzes steht, dass bei einer Volksabstimmung mindestens 33 Prozent der Wahlberechtigten für den Volksentscheid stimmen müssen. Bei einer Verfassungsänderung sind es sogar 50 Prozent. Ein Hürde, die niemals zu erreichen ist. Würden die Grünen ihr Wahlversprechen einhalten, müsste ihre aller erste politische Handlung die Änderung dieses Gesetzes sein. Ein Abänderung auf „einfaches Mehr“ wäre konsequent und ehrlich. Dann müssten sich auch die Grünen an die Abstimmungsergebnisse halten. Bleibt das Gesetz in seiner jetzigen Form bestehen, sind alle Volksabstimmungen rechtlich nicht bindend. Die grün-rote Regierung kann selber entscheiden, welche Frage dem Volks zur direkten Abstimmung vorgelegt wird und welche nicht. Darüber hinaus sind die Ergebnisse in keinster Weise bindend. Ein Volksabstimmung nach des „Königs Gnaden“ wäre die Folge und kritische Volksabstimmung würde erst gar nicht durchgeführt.

Grün auch im Kleinen
Es reicht nun mal nicht grüne Politik auf Bundes- oder Landesebene zu machen. Auch im Kleinen und vor der eigenen Haustür muss die grüne Politik mitgetragen werden. Atomstrom abschaffen aber dafür Kohlekraftwerke bauen, Eisenbahn befürworten aber aus Umweltschutzgründen keine neuen Eisenbahntrassen bauen, grünen Strom fordern aber Pumpspeicherkraftwerke und Windkraftanlagen ablehnen, Windkraftanalgen auf der Nord- und Ostsee fordern aber dann Überlandleitungen ins Landesinnere verweigern. Alles Beispiele die zeigen, dass die grüne Politik im Detail und auf kommunaler Ebene oft scheitert. Wer von oben Umweltschutz fordert, kann ihn nicht in der Gemeinde nach dem St. Florians Prinzip ablehnen. Wer grünen Strom will, der muss auch mit den Konsequenzen leben und neben einer Windkraftanlage oder einem Pumpspeicherkraftwerk wohnen. Das wäre Konsequent und ehrlich.

Alle Augen auf Baden-Württemberg
Die Grünen in Baden-Württemberg haben jetzt die Chance und die Verpflichtung ihre Versprechen einzulösen und ihre Politik konsequent und auch gegen den Widerstand ihrer lokalen Ortsparteien umzusetzen. Baden-Württemberg wird die nächsten Jahre ein Versuchslabor für alle die Versprechen der Grünen der letzten Jahre. Jetzt haben die Grünen die Chance, den historischen Machtwechsel zu einem historischen Gedankenwechsel zu machen. Im Sinne aller Baden-Württemberger und deren Nachkommen.

Weitere Quellen:
Florian Sanders

UPDATE:
Keine 24 Stunden nach der Wahl wurde aus dem grün-roten Wahlversprechen eines Volksentscheids zu Stuttgart 21 ein “möglicherweise” stattfindender Volksentscheid. Keine 24 Stunden nach der Wahl wird bereits zurück gerudert.
http://www.n24.de/n/6760320

3 thoughts on “Die Zukunft ist grün – Ein Laborversuch in Baden-Württemberg”

  1. Schwarz wird Grün – ausgerechnet BW bekommt einen grünen Ministerpräsidenten. Es war halt nur eine Frage der Zeit. Wäre es auch ohne Fukushima dazu gekommen? Jetzt müssen die Grünen allerdings zeigen, ob Sie nicht auch von der Realität eingeholt werden.

  2. Sehr guter Kommentar, spricht mir eigentlich aus der Seele. Ich frage mich zusaetzlich noch wie viel Spielraum und Macht die Politik wirklich hat und wie viel Regieren in Bundeslaendern in Wirklichkeit Verwalten der Oerlichen Gegebenheiten ist.

  3. @ MoriD:
    Danke und gute Frage. Atomausteig ist Bundessache. Und da ENBW jetzt dem Land gehört zahlt Ba-Wü die Zeche für fehlende Einnahmen aus den AKWs. Auch nicht so schön. Was natürlich ganz in Stuttgart entschieden wird ist Bildungspolitik. Aber auch Hartz4 und Solarförderung ist Bundessache. Dafür sind Windkraftanalgen imho Sache der Kommunen. Es bleibt spannend!

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