Mit der Smartphone App Pinger sollen Nutzer zukünftig kostenlos ins deutsche Festnetz telefonieren können. Was sich anhört wie das Paradies für Vieltelefonierer hat bei genauerer Betrachtungsweise ein paar Tücken.
Über Pinger, wie auch das Konkurrenz-App yuilop, konnten Nutzer bis jetzt echte und kostenlose SMS an jedes Mobiltelefon verschicken. Finanziert wurde der Dienst durch eingeblendete Werbung in der App selbst. Die SMS bleibt dabei werbefrei. Wer SMS verschicken möchte, muss sich zuerst eine virtuelle Handynummer reservieren. Diese wird als Absendernummer beim Empfänger angezeigt und kann auch für die Antwort-SMS verwendet werden. Eintreffende SMS auf diese Nummer werden per Push-Technologie in Echtzeit in der App angezeigt und mit einem Ton signalisiert. Aus Sicherheitsgründen benötigt der Nutzer eine eigene Handynummer zum verifizieren der neuen virtuellen Handynummer. Die „Abrechnung“ der SMS erfolgt bei den Apps über ein Punktekonto. Dieses Punktkonto wird durch jede verschickte SMS reduziert und durch jede empfangene SMS gefüllt. Der Clou dabei ist, dass jede verschickte SMS genauso viele Punkte kostet, wie eine empfangene SMS einbringt. Bleibt der SMS-Ausgang und SMS-Eingang im Gleichgewicht, können unbegrenzt SMS verschicken werden. Gleichzeitig verhindert das Punktekonto SMS-SPAM.
Beide Firmen sprechen seit längerem davon ihren Dienst auch auf normale Telefonie auszuweiten. Pinger scheint nun diesen Schritt als erstes unternommen zu haben. Ob die „Finanzierung“ der kostenlosen Telefonie auf die gleiche Weise wie bei verschickten SMS erfolgt, ist bis jetzt unbekannt.
Zahlreiche Fallstricke warten auf den Nutzer
Nutzer beider Apps sollten sich vor der Nutzung jedoch etwas mit dem Kleingedruckten und der Technik vertraut zu machen, um enttäuschende Erfahrungen und Überraschungen zu vermeiden.
Telefoniert und gesimst wird bei Pinger und vermutlich auch bald bei yuilop entweder über W-LAN oder das UMTS-Netz. Nutzer müssen somit über einen eigenen Internetzugang verfügen. Während das beim heimischen W-LAN eher problemlos der Fall ist, sieht es bei UMTS bereits schwieriger aus. Als erstes benötig man ein ausreichend starkes UMTS-Signal. Ist dieses vorhanden benötigt man darüber hinaus eine Flatrate, die groß genug ist Telefongespräche zu verkraften. Als Faustregel gilt, dass 1 Minute Internetelefonie zwischen 1 – 1,5 MB pro Minute benötigen. Wer also eine 500MB Flatrate hat, kann zwischen 400-500 Minuten pro Monat telefonieren. Videos, E-Mails, Chats und andere Internetaktivitäten verkürzen natürlich die Zeit. Danach wird entweder die Datenübertragung künstlich verlangsamt oder es fallen weitere Gebühren an.
Last but not least schließen circa 99% der Mobilfunkanbieter Internettelefonie rechtlich aus oder verlangen einen monatlichen Aufpreis. In manchen AGB ist sogar von Schadenersatzforderung die Rede. Obwohl es bis jetzt zu keinem bekannten Fall von Schadensersatzforderungen oder Kündigungen gekommen ist, sei dieser Punkt hier erwähnt.
Gleiche Voraussetzungen gelten übrigens auch Skype, Viber und andere Telefon-Apps.
Günstige Internettelefonie auf dem Smartphone geht auch anders
Wer sich keine neue App und keine zweite Telefonnummer registrieren möchte, für den gibt es auch einen anderen kostengünstigen Trick. Nutzer, die über eine heimische Festnetzflat verfügen (z.b. 1&1), können sich dort per Internet von überall auf der Welt einloggen und telefonieren. Ob im Hotel in New York, an der Uni, im Büro oder im Stadtpark per UMTS, die Festnetzflat ist immer dabei, wo ein schneller Internetzugang verfügbar ist. Natürlich gelten auch hier die gleichen juristischen Rahmenbedingungen wie bei jeder Internettelefonie-App. Es gilt also immer die AGB zu lesen um nicht nachher eine böse Überraschung zu erleben.
Daten, Daten, Daten – nichts ist umsonst
Wie bei anderen Apps, die kostenlose Dienstleistungen anbieten will auch Pinger die Daten der Nutzer als Gegenleistung. Welche Daten abgesaugt und nach USA geschickt werden hat das Magazin t3n untersucht.
Zweiter Account von Ralf Bachmann
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Hallo!
Danke für den spannenden Artikel.
Wie genau funktioniert das? Das klingt nach einem “das ist grundsätzlich aufgesetzt und problemlos nutzbar”.
Laut meinem technischen Wissen muß ich aber entweder die Zugangsdaten mitnehmen (wenn es ein VOIP Zugang und nicht analog/ISDN) oder setze “mal eben” z. B. einen extra Rechner zu hause auf, der ständig läuft und IP->VOIP macht (und konfiguriere einen dynamischen IP Dienst, ohne den mit DSL wenig läuft, und habe entsprechende Portweiterleitungen aktiviert, oder.. habe einen Router der alles integriert hat)?
Einfacher ist natürlich immer besser, daher frage ich. 🙂
VG
Andreas Reiff
Hallo Andreas,
in Anführungszeichen ist es einfach. Es kommt natürlich immer auf deinen Vertrag, deinen Provider und die verwendete Technik an.
Prinzipiell ist es so, dass du diejenigen Zugangsdaten, welche auch dein Router (bei mir FritzBox) für VOIP verwendet in dein Smartphone eintragen kannst. Je nach OS deines Smartphones benötigst du eine passende App.
Dieses wählt sich dann über deinen Internetzugang (UMTS oder W-LAN) in den Server deiner Telefongesellschaft ein. Dieser Server erkennt keinen Unterschied zwischen deinem Router und deinem Smartphone (geht auch per Software auf deinem Laptop). Somit kannst du deine Festnetz-Flat überall dort nutzen, wo du einen Internetzugang hast. Somit ist die Antwort “ja”, die Zugangsdaten mußt du überall hin mitnehmen.
Zum Thema ISDN. Meines Wissens nach geht dieser “Trick” nur bei VOIP.
P.S.: Danke für den Hinweis auf den Rechtschreibfehler 🙂
Vielen Dank für die zusätzliche Information!
Eine kleine Einschränkung ist die, daß einige Anbieter (Alice z. B.) keine VOIP Daten rausrücken, aber wohl auch nicht wirklich VOIP machen (jedenfalls gibt es auch Anschlüsse mit einem “echten” analogen Telefon-Anschluß).
Vermutlich muß man auch den Router zu hause aus-/umstellen? Ich habe mit meinem VOIP-Anbieter zumindest Probleme, wenn ich die Daten gleichzeitig im Router habe sowie auf einem separaten PC.
VG
Andreas
@ Andreas:
Ich habe bei meinen Versuchen eine 2te Telefonnummer in das Smartphone eingegeben. Mein VOIP-Vertrag beinhaltet 1 Leitung und 2 Telefonnummer. Vielleicht hat es damit zu tun.
Ausserdem habe ich von meinem Anbieter alle Zugangsdaten beim Anmelden erhalten.
Aber danke für deine Berichterstattung. Das hilft bestimmt anderen Lesern weiter.
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