Zugegeben, soziale Netzwerke gibt es fast wie Sand am Meer. Eines mehr oder weniger würde da nicht auffallen und nach grandiosen Abstürzen wie Ello, Diaspora und für manchen Social Media Experten auch GooglePlus, wird jedes neue Netzwerk am Markt gerne belächelt. Zu groß sind die Platzhirsche Facebook und Instagram. Vero (https://www.vero.co) macht aber auf den ersten Blick – die App ist noch in der Beta-Phase – vieles richtig und greift Facebook und Instagram dort an, wo es weh tun KÖNNTE. Bei der Timeline, den Daten, der Werbung und den direkten Einnahmen.
Disclaimer: die App befindet sich aktuell noch in der Beta-Phase und wirkt ab und an etwas ruckelig und buggy – lange Öffnungszeiten oder sogar gar kein App-Start inkl. Absturz. Wie es scheint, wurden die Macher und auch die Server vom aktuellen Hype etwas überrascht. Dies mag auch daher rühren, dass die App eigentlich gar nicht neu ist, sondern schon seit 2015 auf dem Markt ist, es aber bis jetzt nicht wirklich geschafft hat, aus dem Schatten der großen Netzwerke zu treten.
Die vier großen Unterschiede im Überblick:
Timeline
Eine der erwähnenswertesten Eigenschaft und der gravierendste Unterschied zu gängigen Netzwerken scheint wohl die chronologische Timeline zu sein, denn im Gegensatz zu Facebook, Instagram und Co. werden die Posts der Freunde bei Vero in chronologischer Reihenfolge angezeigt. Es gibt also keinen Algorithmus, der die Reihenfolge der Posts beeinflusst. So bekommt man die ungefilterten News ohne Zeitverzögerung und ohne Sortierung aufs Smartphone.
“Wir kuratieren nicht, wir manipulieren nicht, wir fügen keine Werbung ein.”, so das Versprechen der Macher. (Quelle: Heise.de)
Es bleibt an dieser Stelle natürlich offen, in wie weit der “normale” Leser den Algorithmus überhaupt wahrnimmt respektive ob das Fehlen eines Algorithmus für den “Endnutzer” wirklich ein Wechselgrund ist, oder ob die Frage nach Reichweite und Sichtbarkeit nur ein “Publisher-Problem” ist?
Werbung
Das Netzwerk ist und soll auch in Zukunft werbefrei sein bzw. bleiben. Finanzieren soll sich das Ganze *trommelwirbel* über eine jährliche Gebühr von rund 10,- Dollar – so zumindest die ersten groben Überlegungen der Macher. Die ersten 1 Mio. Nutzer erhalten als „Willkommensbonus“ eine lebenslang kostenlose Mitgliedschaft.
Für Influencer brechen dann natürlich goldene Zeiten an. Da Unternehmen nicht mehr direkt Werbung schalten können, muss der Weg – zumindest in Vero – zwangsläufig über Content und Influencer gehen.
Daten
In wie weit und vorallem welche Daten Vero von Nutzern sammelt, ist noch nicht ausführlich geklärt. Die Macher behaupten, dass sie auf Grund des fehlenden Algorithmus weniger Daten sammeln müssten und würden. Bedenkt man, dass ein Großteil der von Facebook und Co. gesammelten Daten dafür verwendet werden den Algorithmus und die Werbeeinstellungen zu füttern, klingt die Erklärung zumindest auf den ersten Blick einleuchtend.
Shops/Produkte
Last but not least kann bereits jetzt über die App eingekauft werden respektive können (auserwählte?) verifizierte Accounts Produkte direkt über die App verkaufen. Hierfür – und natürlich für die eventuell bald kommende Nutzungsgebühr – können bereits jetzt die Bezahldaten (aktuell leider nur Kreditkarte) hinterlegt werden.
Spannend könnte diese Funktion werden, wenn eventuell bald Schnittstellen zu Warensystem, Amazon, E-Bay, Magento und Co. hinzukommen, oder wenn Influencer ihre Produkte direkt oder per Affiliate-Link über die App verkaufen können.
Wie funktioniert die App im Detail:
Vero ist eigentlich eine gelungene Mischung aus Twitter, Instagram, Foursquare/Swamp, Youtube und Facebook gepaart mit multimedialem Lifestyle.
Oder: Ayman Hariri, ein millionenschwererer Businessmensch, CEO und Co-Gründer der App, spricht von einer Social Media App für Erwachsene. (Quelle: http://www.miutiful.de)
Nutzer können primäre einen Video/Bild-Post (Instagram & Youtube; in Vero auch längere Videos möglich), einen Link-Post (Facebook; gut für externe Inhalte) oder eine Ortsangabe (Foursquare/Swamp) posten. Darüber hinaus lassen sich ebenfalls Film-, Buch- und Musikempfehlungen posten, was in Kombination mit InApp-Käufen wieder spannend werden könnte. Auffallend ist, dass alle Posts sehr bildlastig sind, es lassen sich also keine reinen Textbeträge posten, was die Timeline sehr visuell macht. Außerdem fehlen dem Netzwerk (noch?) alle weiteren von Facebook bekannten Funktionen wie Gruppen, Fanpages, Veranstaltung etc.
Nutzer können sich jedoch wie von fast allen Netzwerken bekannt, private Nachrichten (Messenger) schicken und direkt miteinander kommunizieren.
Eine Besonderheit ist auch die Einfachheit der „Freundeslisten“. Es gibt drei nicht veränderbare Kategorien: Enge Freunde, Freunde und Bekannte respektive als vierte Kategrorie die reinen „Follower“ (vgl. Twitter). Jeder Post kann entweder für alle Follower (öffentlich) oder (aufsteigend) für diese drei Gruppen freigegeben werden.
Wie von Facebook und Co. gewohnt, kann jeder Beitrag mit “gefällt mir” (bei Vero ein Herz-Symbol) markiert oder individuell kommentiert werden.
Die App bietet also eine Art “Best of” der bekannten Funktionen und versucht dabei so einfach wie möglich zu wirken und die Komplexität von Facebook zu vermeiden.
Kritik am Anmeldeprozess:
Die Anmeldung erfolgt nur über das Smartphone und benötigt wie z.B. WhatsApp eine Mobilfunknummer, an die ein Verifizierungscode (durch den erhöhten Traffic berichten einige Nutzer von Fehlermeldungen) geschickt wird. Die Machen begründen dies mit der Sicherheit vor Fake-Accounts. Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen seine Mobilfunknummer anzugeben. Rein persönlich muss ich aber immer etwas schmunzeln, wenn Leute WhatsApp und Co. installiert haben und sich dann beschweren, dass ein „Social Network“ nach ihrer Mobilfunknummer fragt. Da aber Facebook (und alle anderen Netzwerke aus dem Hause Facebook Inc.) aus beruflichen Gründen eh bereits meine Mobilfunknummer haben, war die Entscheidung für mich persönlich leicht.
Der Vorteil der Mobilfunknummer ist aber gleichzeitig, dass man sehen kann, wenn ein Kontakt aus dem Telefonbuch sich bei Vero anmeldet. Hierfür muss man in einem zweiten Schritt (freiwillig) ebenfalls wie bei WhatsApp sein Telefonbuch hochladen/freigeben.
Warum der Hype? & persönliche Meinung:
Gerüchten zur Folge haben sich aktuell vor allem Photografen und Cosplayer (Menschen, die sich wie Cartoon-Figuren verkleiden; sehr großer Markt in den USA und Asien) auf der App eingefunden und dort bereits schon eine rege Community gebildet. Vielleicht wird die App auch durch die Änderungen in den Facebook- und Instagram-Einstellungen (Stichwort: Sichtbarkeit und Algorithmus-Änderungen) befeuert? Andere vermuten eine verdeckte Influencer-Kampagne dahinter (siehe t3n-Artikel). Vermutlich ist es eine Mischung aus allen Punkten.
Ob sich die App – vor allem in Deutschland – halten kann, wird sich zeigen und hängt davon ab, wieviele „große Namen“ von Instragram und Co. emigrieren werden. Laut ersten Berichten seien schon der eine oder andere große US-Infuencer zu Vero gewechselt, da hier durch die fehlende Werbung die Posts besser zu Geltung kommen würden. Da aber der deutscher Nutzer im Vgl. gerade zum US-amerikanischen Nutzer immer nur gern eine App respektive ein Netzwerk benutzt (siehe Verbreitung von GooglePlus und Co.) bleibt es fraglich, wie gut sich dieses Netzwerk in Deutschland durchsetzen respektive halten wird.
Auch der Preis (ausgerufen sind 10,- Euro pro Jahr aber ohne Startdatum; könnte auch nur eine “künstliche Verknappung” sein) dürfte eine Rollen spielen. Der 08/15-Facebook-Nutzer (und das ist eine persönliche Meinung) dürfte Schwierigkeiten damit haben, überhaupt etwas für Social Networks zu bezahlen. Auch wenn die Angst um die abgesaugten Daten und die enorme Werbung allgegenwärtig sind, dürfte der Schmerz noch nicht groß genug sein, um Geld für ein soziales Netzwerk auszugeben. Auf der anderen Seite könnte sich hier der Kreis zur oben zitierten „Social Media App für Erwachsene“ schließen und den Weg frei machen, für eine Klientel, die bereit ist für gute Inhalte bzw. ein werbefreies Umfeld Geld zu bezahlen. We will see ….
Persönliche Meinung zum fehlende Algorithmus:
Hier kämpfen aus meiner Sicht gerade zwei Fraktionen gegeneinander. Zum einen die Social Media Experten, die richtigerweise sagen, dass Reichweite und Sichtbarkeit keine Strategie sind und zum anderen Menschen, die sich auf Grund des Ego oder beruflich über Reichweite definieren (z.B. u.a. Influencer). Da Facebook und Instagram in den letzten Jahren systematisch an der Reichweite schrauben, scheint das Fehlen eines Algorithmus für diese Menschen die Lösung zu sein.
Auf der anderen Seite – und das ist meine persönliche Meinung – bin ich ebenfalls gegen einen Algorithmus. Ich möchte ALLES sehen, was ich markiert habe. Das hat aber natürlich zur Folge, dass ich und andere Nutzer bei falschen Inhalten sofort entfolgt werde respektive entfolge. Das Wegfallen des Algorithmus hat also nicht nur Vorteile, sondern stellt jeden „Publisher“ vor die Herausforderung mit jedem neuen Post seine Fangemeinde bei der Stange zu halten. Ich bin gespannt, ob dann nicht ein paar Influencer aufwachen werden.
Was fehlt (und auch hier kommt es auf den persönlichen Geschmack an):
Live-Videos, Gruppen, (Unternehmens-)Account/Seiten, Stories, Foto-Filter, das Teilen von fremden Beiträgen (man kann also nur eigene Inhalte erstellen und nicht die Beiträge von Freunden „weiterteilen“) und eine Art “WebApp”. Da die App aber noch in der Beta-Phase ist, ist hier noch alles offen.
P.S.: Vero steht für Wahrheit – daher auch der Claim „ True Social“ ;-).
Quelle Bilder: Vero / PRESS & MEDIA
Weiterführende Links, Meinungen und Funktionsbeschreibungen:
https://t3n.de/news/vero-app-neues-instagram-962937/
https://t3n.de/news/vero-steckt-hype-app-964913/
https://www.dasding.de/lifestyle/smartphone/Apps-Vero-Warum-jetzt-alle-Influencer-wollen-dass-wir-uns-da-anmelden,artikel-vero-das-neue-instagram-und-facebook-ohne-werbung-100.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Das-naechste-Instagram-Social-App-Vero-lockt-immer-mehr-Nutzer-an-3978816.html
http://www.chamy.at/2018/02/instagram-nachfolger-vero-true-social.html
https://lexasleben.de/vero-true-social-app/
http://www.miutiful.de/2018/02/vero-social-media-alternative/
http://hydrogenperoxid.net/vero-das-neue-social-network/
http://meedia.de/2018/02/27/hype-app-vero-das-naechste-instagram-scheitert-noch-am-server/
https://www.morgenpost.de/web-wissen/web-technik/article213562045/Was-man-ueber-das-neue-soziale-Netzwerk-Vero-wissen-muss.html
Ich halte den Meedia-Artikel für sehr kurz gedacht. Der Vollständigkeit halber aber aufgenommen:
http://meedia.de/2018/02/28/fuenf-dinge-die-sie-wissen-sollten-bevor-sie-sich-beim-angesagten-instagram-konkurrenten-vero-anmelden/
Persönliche Meinung:
1.) Die Server aller großen Netzwerke stehen im Ausland. Das ist gut zu wissen, scheint aber bei Facebook und Co. für den Endnutzer kaum eine Rolle zu spielen. Natürlich gibt es bei den großen Anbietern auch Server bzw. zuständige Büros in England und Irland und damit auch innerhalb der EU. Aber außerhalb der Juristen-Szene interessiert das auch niemanden.
2.) Kritik am CEO ist berechtigt, hat aber bei Facebook, Goolge und Co. die Nutzer der Netzwerke auch nie wirklich interessiert. Und gerade im Umgang mit Frauen sind die “Silicon Valley – Shooting Stars” auch nicht das Gelbe vom Ei.
3.) Die Anmeldeprozedur ist wie bei WhatsApp, Snapchat, Telegram, Signal usw. (Telefonnummer). Nur weil Vero ein “Social Network” ist und kein Messenger scheint dies plötzlich ein Problem zu sein. Für mich eine willkürliche und subjektive Einteilung. Man ist bereit seine Mobilfunknummer an WhatsApp (Facebook Inc.) zu geben aber nicht an Facebook oder Vero direkt?! Wo wird die Grenze gezogen? Am Begriff/Namen “Messenger”?
4.) Zweifel an der Nachhaltigkeit? Facebook, Google, Apple und Co. sind so reich, dass sie ganze Kontinente kaufen könnten. Das als Argument gegen ein neues Netzwerk anzuführen, würde jegliche Konkurrenz von Beginn an verneinen und das Feld ohne Kampf den Großen überlassen.
5.) Ob der Hype durch eine Influencer-Kampagne ausgelöst wurde, sagt meiner Meinung nichts darüber aus, wie gut und langlebig Vero ist, sondern nur wie gut/transparent des Marketing läuft. Klar muss das öffentlich gemacht werden, aber als getrenntes Thema.
EDIT:
Ihr wollt euren Vero-Account löschen?
https://mashable.com/2018/02/27/how-to-delete-vero-account
EDIT – 28.02.2018:
VERO bleibt erstmal kostenfrei, bis man etwas anderes verkündet. Die erste Million User hat man nach eigenen Aussagen voll. pic.twitter.com/jr0GWnN1Rz
— René Hesse (@ReneHesse) 28. Februar 2018
EDIT – 1.03.2018:
https://omr.com/de/vero-geheimnis-influencer-marketing/
Content Marketing Manager
Generalist: Projektmanager mit Faible Content Marketing & Social Media, ausgebildeter Journalist & PR-Berater, Erfahrung in Unternehmenskommunikation, Digitalisierung und Collaboration-Tools.
Moin,
danke für die Aufnahme in die Linkliste.
Grundlegend kann ich dir nur zustimmen, aber zwei Fehler sind dir unterlaufen:
1. Teilen geht bei jedem Beitrag außer Fotos. Einfach auf die drei Punkte unten rechts klicken.
2. Fotofilter gibt es auch.
Ich bin zwar auch Blogger (also Publisher), aber auch als Privatperson stört mich der Algorithmus. Ich folge lieber weniger und sehe von denen alles, als viele und nur einen Teil. Für mich einer der Gründe, warum ich Vero gerne eine Chance gebe.
LG Lexa
Beide Punkte absolut richtig. Besten Dank. Wird korrigiert.
Beste Grüße
Ralf Bachmann
Hallo Ralf, tolle Zusammenfassung. Ich bin wirklich neugierig was sich daraus entwickelt. Ich mache mich auf den Weg auf eine dreiwöchige Reise, da wird sich weisen, wie tauglich das Ding für mich als Food- und Travelbloggerin ist. Liebe Grüße, Claudia
Hallo Claudia,
danke für das Lob. Auch ich bin gespannt wie es mit Vero weitergeht. Ich denke die nächsten Monate werden entscheidend sein. Viel Spass & Erfolg auf deiner Reise.
Vielen Dank für die ausführliche Übersicht! Ein wirklich toller Beitrag!
Ich melde mich jetzt mal an. 😉
Liebe Grüße
Julie
Hallo Julie,
besten Dank und viel Spass beim Entdecken von Vero.
Pingback: Im letzten Monat - Februar 2018 • Nullpunktzwo